Viele Deutschen machen sich Sorgen um ihre Rente. Die Lebenserwartung steigt, die Geburtenrate sinkt. Das bedeutet, dass es immer mehr Rentner gibt, die immer länger Rente beziehen. Gleichzeitig gibt es immer weniger Arbeitnehmer, die die Renten finanzieren. Die Rentenlücke wird immer größer. Altersarmut macht angst.
Wie würde ein gutes Rentensystem aussehen? Hier ein paar Gedanken dazu.
Verantwortung und Rolle des Rentensystems
Wir müssen ein paar wichtige Fragen klären:
- Wie groß ist die individuelle Verantwortung? Wenn wir sie als gering ansetzen, dann muss der Staat für die Rente sorgen. Wenn wir sie als hoch ansetzen, dann müssen wir akzeptieren, dass es Menschen gibt, die nicht genug für ihre Rente tun und dann im Alter arm sind.
- Wie solidarisch sind wir? Wenn wir sehr solidarisch sind, dann sorgen wir dafür, dass auch Menschen, die nicht genug für ihre Rente tun können, im Alter nicht arm sind. Wir unterstützen Geringverdiener und Arbeitslose. Wir helfen Müttern über den Verdienstausfall hinweg. Wir unterstützen Menschen, die krank sind oder kranke Angehörige pflegen und deshalb nicht für die Rente vorsorgen können.
Aktuelle Situation
- Beitragszahler pro Rentner: 2021 waren wir bei 2,1 Beitragszahlern pro Rentner. 1980 waren es noch 3,6.
- Grundsicherung wurde im Juni 2023 von 691.820 Rentnern bezogen. Insgesamt gab es 1,1 Millionen Grundsicherungsempfänger und 21 Millionen Rentner.
- Bevölkerungswanderung: Noch haben wir eine Nettozuwanderung, das heißt es kommen mehr Menschen nach Deutschland als gehen. Allerdings hatten wir seit 2014 - 2017 durch den syrischen Bürgerkrieg eine sehr hohe Nettozuwanderung. Genauso seit 2022 durch den Russland-Ukraine Krieg. Wenn man Flüchtlinge aus den Zahlen raus nimmt und nur die Migranten betrachtet, dann hatten wir 2023 einen Zuwachs um 511.955 Personen
- Geburt und Tod: 2023 gab es 690.000 Geburten und 1,02 Millionen Sterbefälle. Das bedeutet ein Geburtendefizit von 330.000 Personen.
Optimalerweise sollte eine Bevölkerung eine Pyramidenform haben. Das bedeutet, dass es in jedem "jügeren" Jahrgang mehr Menschen gibt als in jedem "älteren" Jahrgang. Am besten genau so, dass es genau die Sterbefälle ausgleicht. Damit hätte man eine stabile Bevölkerungszahl.
Umlagebasiert vs. Kapitalgedeckt
Ein umlagebasiertes Rentensystem ist ein System, bei dem die Renten der heutigen Rentner durch die Beiträge der heutigen Arbeitnehmer finanziert wird. Deutschland, Frankreich, Japan, die USA und viele andere Länder haben ein umlagebasiertes Rentensystem.
Ein kapitalgedecktes Rentensystem ist ein System, bei dem Arbeitnehmer in Aktien, Anleihen oder Immobilien investieren und so für ihre Rente sparen. Sie bekommen also direkt das Geld, das sie selbst erwirtschaftet haben. Australien und Singapur haben kapitalgedeckte Rentensysteme.
Gemischte Systeme haben Schweden.
Pro Umlagebasiert
- Sofortige Finanzierung: Wenn man einen Staat ohne Rentensystem hat, kann man sofort das umlagebasierte Rentensystem einführen. Bei einem kapitalgedeckten Rentensystem
- Solidarität: Die Renter-Generation hat ein inherentes Interesse daran, dass die Arbeitnehmer-Generation gut ausgebildet ist und gut verdient.
Pro Kapitalgedeckt
- Demographischer Wandel: Wenn jeder für seine eigene Rente zuständig ist, ist die Anzahl der Arbeitnehmer im Verhältnis zu den Rentner egal. Wichtig ist allein die Lebensarbeitsleistung.
- Lebenserwartungen: Umlagebasierte Rentensysteme müssen im Grunde für ein gleichbleidendes Verhältnis von Rentnern zu Arbeitnehmern sorgen. Wenn die Lebenserwartung steigt und man an der Zahl der Arbeitnehmer nichts ändert, dann muss das Renteneintrittsalter steigen. Das ist nicht nur unbeliebt, sondern in manchen Berufen auch nicht möglich.
Probleme des deutschen Rentensystems
Geringer Lebenserwerb führt zu geringer Rente
Es gibt viele Menschen in Deutschland deren Rente nicht ausreicht. Deshalb haben wir die Grundsicherung eingeführt. 691.820 Rentner haben im Juni 2023 Grundsicherung bezogen.
Rentenlücke
Die Rentenlücke ist die Differenz zwischen dem letzten Nettoeinkommen und der Rente. 2005 war sie noch bei 70%, d.h. die Rente war 30% niedriger als das letzte Nettoeinkommen. 2030 erwartet man, dass die Rentenlücke bei 40% liegt. Man bekommt also nur noch 40% des letzten Nettoeinkommens als Rente.
Die Rentenlücke ist ein Problem, weil die Lebenshaltungskosten im Alter nicht deutlich sinken. Menschen können sich im Alter also ggf. nicht mehr ihre Wohnung leisten.
Generationenkapital
Die aktuelle Bundesregierung hat eine kapitalgedeckte Rente eingeführt. Allerdings nicht individuell, sondern als "Generationenkapital".
Das bedeutet, dass der Staat einen Investment-Fonds aufbaut und aus den Gewinnen die Renten stützt.
Persönliche Meinung
Meine Erwarung an das deutsche Rentensystem ist, dass es den absoluten Grundbedarf der Menschen im Alter deckt. Das ist für mich die Miete, Strom, Wasser, Heizung, Internet, Nahrung. Mehr nicht. Wer mehr haben möchte, muss selbst vorsorgen. Das sollte der Staat rechtlich (aber nicht finanziell) unterstützen.
- Einzahl-Alter: Ab 18 Jahren muss jeder einzahlen, bis er in Rente geht
- Renteneintrittsalter und Rentenhöhe: Es muss gelten:
- Einzahlungen [EUR] / Bezugsdauer [Monate] ≥ Grundbedarf G [EUR/Monat]
- Einzahlungen = (Renteneintrittsalter R - 18) * Monatlicher Beitrag B * 12
- Bezugsdauer = (Lebenserwartung L [Jahre] - Renteneintrittsalter R [Jahre]) * 12
Setzen wir den Beitrag B auf 10% der Grundbedarfs G und nehmen an, dass die Investition mindestens Inflationsauslgeichend ist, dann ergibt sich:
Sagen wir, dass die Lebenserwartung L=83 Jahre beträgt. Dann ergibt sich:
\(R \geq \frac{18 + 10 \cdot 83}{11} = 77.1\)
Zum Überprüfen nehmen wir an: * Grundbedarf G = 1000 EUR/Monat \(\Rightarrow\) Monatlicher Beitrag B = 100 EUR * Renteneintrittsalter R = 78 Jahre * Lebenserwartung L = 83 Jahre * Einzahlungen = (77 - 18) * 100 * 12 = 70800 EUR * Bezugsdauer = (83 - 78) * 12 = 60 Monate * Einzahlungen / Bezugsdauer = 70800 / 72 = 1180 EUR/Monat
Nehmen wir einen Beitrag von B = 0.3 G an, ergibt sich ein Renteneintrittsalter von 68 Jahren.
Wenn wir das Renteneintrittsalter fixieren wollen, dann müssen die Beiträge flexibel sein. Man kann nun argumentieren, dass man ab einem bestimmten Alter nicht mehr arbeiten kann. Und man kann argumentieren, dass eine gewisse Beitragshöhe nicht zumutbar ist. Das sind politische Entscheidungen.
Die Grundsätze der Idee nochmals in Stichpunkten:
- Jeder hat ein "Rentenkonto". Auf diesem Konto wird die Lebensarbeitsleistung eingezahlt. Das Geld wird breit gestreut investiert. Der Staat entscheidet, wie invesitert wird.
- Die Einkommensteuer sollte den allgemeinen Staatshaushalt finanzieren und progressiv gestaltet sein. Die Rentenabgaben sollten absolut sein: Jeder muss einen fixen Beitrag zahlen - egal wie viel man verdient. Egal ob man überhaupt etwas verdient.
- Ich sehe keinen Grund, warum der Arbeitgeber daran beteiligt sein sollte.
Das hat ein paar interessante Effekte:
- Mehr Beitragszahler: Beamte, Selbstständige, Arbeitslose müssten zahlen.
- Ausgleichszahlungen: Das Arbeitslosengeld müsste entsprechend steigen. Im Mutterschutz und der Elternzeit sollte der Staat aus dem Staatshaushalt die Beiträge übernehmen.
- Kein Demographie-Problem: Wenn jeder für seine eigene Rente zuständig ist, ist die Anzahl der Arbeitnehmer im Verhältnis zu den Rentner egal. Wichtig ist allein die Lebensarbeitsleistung.
Richtig schwierig wäre eine Übergangsphase.
Man könnte auch eine automatisch angepasste Mischung zwischen umlagebasierter und Kapitalgedeckter Rente machen, die abhängig von der Anzahl der Kinder der generation ist.
Siehe auch
- YouTube
- MrWissen2go: Ist unser Rentensystem am Ende?, August 2021.
- Wirtschaft - Animiert Kapiert: Schwedens Rentensystem - Umlageverfahren mit Aktienrente - einfach erklärt, Dezember 2023.