Das Finden eines Endlagers für unsere nuklearen Abfälle ist seit etwa 1963 ein Thema in der Politik in Deutschland.[Koe03] Es geht dabei um die Frage, wie wir die gefährlichen Überreste der Atomkraftwerke, den sogenannten Atommüll, entsorgen.
Atommüll
Um zu verstehen worum es geht sollte man ein Grundverständnis für Atomenergie haben. Ich werde die Dinge auf das relevante vereinfachen:
Atome bestehen aus dem Atomkern und Elektronen, welche um den Atomkern kreisen. Der Atomkern besteht aus Neutronen und Protonen. Die Protonen sind elektrisch positiv geladen, Elektronen sind negativ geladen und die Neutronen sind elektrisch neutral. Alle diese Elementarteilchen haben Masse. Elektronen sind extrem leicht, Protonen und Neutronen sind etwa gleich schwer und beide jeweils deutlich schwerer als Elektronen.
Die Anzahl der Protonen und Elektronen ist gleich, sodass ein Atom insgesamt elektrisch neutral geladen ist. Die Anzahl der Protonen (bzw. Elektronen) macht die wichtigsten Eigenschaften aus. Dementsprechend haben wir eigene Namen für Atome mit einem Proton (Wasserstoff), 26 Protonen (Eisen) oder eben 92 Protonen (Uran). Allerdings ist nicht jedes Uran-Atom gleich: Manche haben mehr Neutronen als andere. So gibt es Uran mit 235 Teilchen im Kern und Uran mit 238 Teilchen im Kern.
Kernkraftwerke produzieren Energie, indem ein bestimmtes Uran-Isotop (235U) dazu gebracht wird sich zu spalten. Wir haben also einen ganz bestimmten Typ von Atom, welchen wir dazu bringen 143 Neutronen und mit 146 Neutronen. Da die Elektronen fast nichts wiegen und nur die Neutronen und Protonen für das Gewicht relevant sind, sagt zählt man üblicherweise beide zusammen: 92 Protonen + 146 Neutronen macht 238 Kernteilchen. Also 238U, weil U das Zeichen für Uran ist.
Es gibt also leichtes Uran 235U und schweres Uran 238U.
Nun muss man wissen, dass sich Elektronen und Protonen anziehen. Das ist
ungefähr so wie mit verschiedenen Polen eines Magnets. Warum fallen sie also
nicht in den Kern?
Ganz einfach: Es gibt weitere Effekte (siehe details).
Man stelle sich z.B. Satelliten vor, die um die Erde kreisen. Sie sind gerade
so schnell und haben gerade die richtige Entfernung, dass sie weder wegfliegen
noch in den Kern fallen.
Nun kann man sich die nächste Frage stellen: Warum sind die Protonen
zusammen? Warum ist der Kern stabil?
Genauso wie sich Protonen und Elektronen anziehen, stoßen sich zwei Protonen
ab. Hier kommt nun eine weitere, elementare Kraft ins Spiel: Die Kernkraft.
Sie wirkt nur auf sehr, sehr kleine Distanzen, ist dort aber unglaublich stark.
Sie zieht die Protonen gegenseitig an. Die Anziehung durch die Kernkraft
schafft also einen Ausgleich zur elektrischen Abstoßung.
Ok, wie kommen nun die Neutronen ins Spiel? Neutronen sind elektrisch neutral. Sie bilden mit den Protonen zusammen den Atomkern. Es scheint so zu sein, dass mehr Neutronen zu einem instabileren Kern führen. Mehr Neutronen machen den Kern größer, aber die Kernkraft wirkt nur auf sehr kurze Entfernung. Das heißt je größer der Kern wird, desto stärker dominiert die elektrische Abstoßung der Protonen.
Wenn nun z.B. ein Neutron mit hoher Geschwindigkeit auf den Kern trifft kann sich dieser Spalten. Es bilden sich zwei neue, kleinere Atomkerne und - je nach Atom - werden weitere Neutronen abgestoßen.
Eine solche Spaltung kann man formal wie folgt darstellen:
Was diese Gleichung verschweigt, ist die Tatsache, dass auch Energie frei wird. Diese kann man zum erhitzen von Wasser verwenden. Das erhitzte Wasser kann dann wiederum zum Antreiben einer Turbine verwendet werden. Und die Turbine macht schlussendlich aus der Bewegungsenergie nutzbare elektrische Energie.
Nun haben wir aber eben auch die kleineren Atomkerne. Diese sind nicht stabil
und zerfallen weiter in kleinere Atomkerne. Über diesen Zerfallsvorgang muss
man nun wissen, dass er nicht sofort statt findet. Für einzelne Atome kann man
auch gar nicht sagen wann genau es sein wird. Allerdings kann man für eine
große Menge an Atomen die Aussage machen, dass nach X Jahren die Hälfte davon
zerfallen sein wird. Nach weiteren X Jahren wiederum die Hälfte usw.
Dieses X ist für einen festen Isotop-Typ konstant. Teilweise ist es im Bereich
weniger Sekundenbruchteile, und bei 135Cs sind es beispielsweise
2,3 Mio. Jahre. Diese Zeit, in der statistisch gesehen die Hälfte der
Atome in kleinere Atome zerfällt nennt man Halbwertszeit.
Jedes mal wenn so ein Zerfallsvorgang frei wird, wird auch Energie frei bzw. sehr schnelle Teilchen. Man könnte das als eine Art Bombardierung der Umwelt mit sehr kleinen Teilchen sehen. Und bei den Spaltprodukten, dem Atommüll, dauert diese Bombardierung leider sehr lange an. Die Teilchen sind so klein, dass sie leicht eingeatmet werden können. Wenn sie dann im inneren des Körpers zerfallen richten sie dort enormen Schaden an.
Es gibt tatsächlich nicht nur eine Art wie sie zerfallen können, sondern drei verschiedene. Bei der ersten, der Alpha-Strahlung, werden vergleichsweise große Teilchen frei, die aber allein schon durch die Luft so schnell und stark abgebremst werden, dass die Teilchen an sich relativ leicht zu handhaben sind. Schon ein Blatt Papier reicht zur Abschirmung.[Jen]
Beta-Strahlung ist da schon schwerer zu handhaben. Aber auch sie kann z.B. durch 15 Papierblätter / 4mm Aluminium abgehalten werden.[Jen]
Bleibt noch die Gamma-Strahlung. Diese kann nur abgeschwächt, aber nicht komplett aufgehalten werden. So beleibt bei einer Gamma-Strahlung von 1 MeV nach ca. 3 cm Blei noch ein Zehntel der Strahlung übrig. Ich denke das ist der Grund, warum man den strahlenden Müll gerne Untertage, so weit weg von Menschen wie möglich, lagern will.
Endlager: Was müssen sie können?
Da die Diskussion um die Endlagerung schon seit 1963 geführt wird, habe ich mich gefragt warum es eigentlich so schwer ist ein Endlager zu finden. Klar, niemand will das Endlager in seiner Nachbarschaft haben. Aber das gilt ja auch für Zwischenlager. Irgendwo muss das Zeug halt stehen.
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat einen Anforderungskatalog für Endlagerstetten geschrieben.[BMU10] Liest man sich diesen durch, findet man schnell den Grund warum seit über 50 Jahren kein Endlager gefunden wurde:
Zur Vermeidung unzumutbarer Lasten und Verpflichtungen für zukünftige Generationen sind folgende Sicherheitsprinzipien zu beachten:
- 4.6 Das Endlager ist so zu errichten und so zu betreiben, dass für den zuverlässigen langfristigen Einschluss der radioaktiven Abfälle im einschlusswirksamen Gebirgsbereich in der Nachverschlussphase keine Einriffe oder Wartungsarbeiten erforderlich werden.
- 4.7 Es ist eine möglichst zügige Errichtung des Endlagers zu realisieren.
- 4.8 Für Errichtung und Betrieb einschließlich Stilllegung des Endlagers müssen die finanziellen Mittel zeitgerecht zur Verfügung stehen.
Von 4.7 kann man sich 16 Jahre nach der Veröffentlichung wohl verabschieden. Die SPD, CDU/CSU hat auch dafür gesorgt, dass 4.8 nicht bedeutet, dass die Energiekonzerne den Betrieb bezahlen.[Koe03] Obwohl das auch mal anders lautete:
Die Verantwortung für Stilllegung, Rückbau und Zwischenlagerung des Atommülls liege bei den Energieunternehmen, ließ Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wissen. Deshalb hätten die Konzerne auch "sämtliche Kosten der Stilllegung, des Rückbaus sowie der Endlagerung zu tragen".
Nun gibt es noch 4.6 der mich besonders stört. Das ist einfach unrealistisch. Natürlich wird man keinen Ort auf der Erde finden bei dem für mehrere Millionen Jahre davon auszugehen ist, dass dieser ohne Eingriffe und Wartungsarbeiten den Müll sicher wegschließt.[1] Da es immer noch keine wirklich sichere Methode gibt Dinge ins All zu befördern (vgl. Liste von Katastrophen der Raumfahrt) muss es aber auf der Erde sein. Daher sollte man diesen Punkt einfach streichen. Wir - die aktuelle Generation und alle folgenden Generationen - werden die Lagerung des Atommülls bezahlen müssen. Das beinhaltet Eingriffe und Wartungsarbeiten der Lagerstätte.
Soweit die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass man z.B. Lagerstätten suchen / bauen könnte, bei denen man sich nur sicher ist, dass sie für die nächsten z.B. 5 Jahre sicher sind. Dann prüft man es erneut. Wenn man weiß, dass man die Lagerstätte regelmäßig prüfen muss kann man die Lagerstätte so einrichten, dass diese Prüfung leicht ist. Man könnte Robotersysteme erstellen, welche eine Fernwartung erlauben. Es sollte auf jeden Fall redundante Systeme zur Bergung der Container geben. Die Systeme sollten robust gebaut werden. Wie man an den versagenden Robotern bei Fukushima sieht[New16] müssen die Systeme unbedingt vorher getestet werden.
Ich könnte mir Schienen-Systeme für die Container vorstellen. Das sollte recht robust sein. Dann muss man das Gebiet noch bewachen, sodass Menschen nicht Atommüll klauen können. Das wird dauerhaft Geld kosten.
Außerdem muss man nicht unbedingt den ganzen Atommüll an einer Stelle lagern. Ich würde es beispielsweise fair finden, wenn die einzelnen Bundesländer so viel von dem Müll lagern müssen wie die Kraftwerke auf ihrem Gebiet erzeugt haben.
Aber wie viel Atommüll haben wir eigentlich?
Daten zum Atommüll
Es ist erstaunlich wie schwer es ist dazu gute Aussagen zu finden. Hier ein paar:
Der Restmüll, der in den Wiederaufarbeitungsanlagen neben Plutonium und Uran entsteht, macht zwar nur vier Prozent aus, ist aber das Hauptproblem. In ihm sind 99 Prozent der gefährlichen Strahlung konzentriert. Er wird in flüssiges Glas eingeschmolzen und in sogenannte Kokillen aus Edelstahl gefüllt. Ein 1000-Megawatt-Kraftwerk – deutsche Kernkraftwerke erbringen eine Bruttoleistung zwischen 800 und 1480 Megawatt – produziert jährlich etwa 20 Tonnen ausgedienter Brennelemente.
[...]
[In Gorleben] liegen nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz insgesamt 2408 Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitung in der französischen Anlage.
[...]
Hinzu kommt der hochradioaktive Atommüll, der seit dem Jahr 2005 entstanden ist und nicht wiederaufgearbeitet wurde [...]. Dieser Müll – pro Jahr etwa 400 Tonnen, schätzt die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit – lagert, verteilt über die ganze Republik, in Hallen neben den Kernkraftwerken.
Wir haben also mindestens
an Atommüll. Hinzu kommen diese Kokillen von vor 2005, von denen ich leider nicht weiß wie groß die sind.
Laut kiefermedia.de haben wir in Deutschland bis 2022 etwas 17 200 Tonnen Atommüll, laut Greenpeace wird es bis dahin 15 000 Tonnen Atommüll geben. Laut BUND sind es 17 000 Tonnen und 300 000 m3.[2]
Laut Statistischem Bundesamt sind in Deutschland alleine im Jahr 2009 etwa 450 Tonnen Atommüll angefallen. Diese 450 Tonnen wurden in vielen Quellen als "Jährlich anfallender Atommüll" genannt. Als ob das jedes Jahr gleich wäre. Dann hätten wir heute keine ~17 000 Tonnen Atommüll sondern
Siehe auch
Fußnoten
- [1] Der Homo Sapiens ist etwa 200 000 Jahre alt; die ersten staatlichen Gebilde sind ca. 6000 Jahre alt. Und da wollen wir für etwas planen, was mehr als 100 000 Jahre in der Zukunft liegt? Lächerlich.
- [2] Das würde eine Dichte von nur 57 kg/m3 ergeben. Eisen hat eine Dichte von 7874 kg/m3 und Wasser eine Dichte von 1000 kg/m3.
Einzelnachweise
- [Koe03] W. König. Atomare Endlagerung im Spannungsfeld zwischen fachlichen Notwendigkeiten und gesellschaftlichen Realitäten. Evangelische Akademie Loccum, 2003. (Quelle)
- [Jen] Zukunftswerkstatt Jena. Schutzmöglichkeiten vor ionisierender Strahlung: Alphastrahlen. (Quelle)
- [BMU10] Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 30. September 2010. (Quelle)
- [Tag16] Energiekonzerne blockieren Atomkompromiss. Der Tagesspiegel, 28.02.2016. (Quelle)
- [New16] The robots sent into Fukushima have 'died'. Newsweek, 10.03.2016. (Quelle)